Was ist, wenn ein betriebliches Eingliederungsmanagement im Sinne des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht durchgeführt wird, nachdem ein Arbeitnehmer nach längerer Krankheit wieder im Betrieb zu arbeiten beginnt? Später soll dem Arbeitnehmer gekündigt werden, weil vorgeblich kein Arbeitsplatz für ihn
mehr zur Verfügung steht.
Die Durchführung des BEM ist nach § 84 Abs. 2 SGB IX keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung (BAG 2008). Ein fehlendes BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX führt nicht per se zur Unwirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung. Allein aus dem Umstand,
dass der Arbeitgeber das BEM nicht durchgeführt hat, folgt noch nicht das Vorliegen von geeigneten milderen Mitteln, die zwingend zur Reduzierung der Fehlzeiten und damit zur Unverhältnismäßigkeit einer Kündigung führen könnten. Durch die dem Arbeitgeber von § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen
Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des BEM ist - wie das der gesetzlichen Prävention nach § 84 Abs. 1 SGB IX - die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen
zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen daher letztlich der Vermeidung der Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen. Durch das BEM können aber solche
milderen Mittel, z.B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden. Das Gesetz hat den Arbeitgeber grundsätzlich dazu verpflichtet, mit Hilfe der genannten Stellen frühzeitig zu prüfen, ob und wie
eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der eingetretenen Erkrankungen und damit letztlich der Ausspruch einer Kündigung vermieden werden kann.
Hat der Arbeitgeber hingegen kein BEM durchgeführt, darf er sich durch seine dem gesetzwidrige Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen. In diesem Fall darf er sich nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten
für den erkrankten Arbeitnehmer bzw. es gebe keine “freien Arbeitsplätze”, die der erkrankte Arbeitnehmer auf Grund seiner Erkrankung noch ausfüllen könne.
Es bedarf vielmehr nach der genannten BAG-Rechtsprechung eines umfassenderen konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz einerseits und warum andererseits eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung
ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem (alternativen) anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden könne.
Daraus ergibt sich auch, dass der Arbeitnehmer schlecht beraten ist, wenn er sich dagegen sperrt, an einer betrieblichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Wir helfen Ihnen in diesen nicht immer ganz einfachen Konstellationen gerne weiter. |