BGH vom 26. November 2008 -
XII ZR 65/07: Kindergartenbeiträge können, schon da sie regelmäßig
anfallen, keinen Sonderbedarf (§
1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB) begründen. Als Mehrbedarf ist nach dem
Bundesgerichtshof der Teil des Lebensbedarfs anzusehen, der regelmäßig
während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt,
dass er mit den Regelsätzen nicht zu erfassen, andererseits aber
kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden
Unterhalts berücksichtigt werden kann. Der Senat ist bisher
allerdings davon ausgegangen, dass der Beitrag für den halbtägigen
Kindergartenbesuch grundsätzlich keinen Mehrbedarf eines Kindes begründet.
Der halbtägige Besuch eines Kindergartens sei heutzutage die Regel,
so dass es sich bei dem hierfür zu zahlenden Beitrag um Kosten
handele, die üblicherweise ab Vollendung des dritten Lebensjahres
eines Kindes anfielen. Nun hat der BGH die Auffassung aufgegeben, dass
diese Kosten durch die Sätze der Düsseldorfer Tabelle jedenfalls bis
Dezember 2007 gedeckt seien. Dass das genannte Leistungsspektrum den
Kindergartenbeitrag bzw. vergleichbare Aufwendungen für die Betreuung
eines Kindes in einer kindgerechten Einrichtung einschließt, kann
danach nicht festgestellt werden. Das ergibt sich zunächst aus der
Regelsatzverordnung, die Inhalt, Bemessung und Aufbau der Regelsätze
bestimmt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RSV ist Grundlage der Bemessung der
Regelsätze der aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
abzuleitende Eckregelsatz. Dieser setzt sich aus der Summe bestimmter,
in § 2 Abs. 2 RSV aufgeführter Verbrauchsausgaben zusammen. Die
betreffende Auflistung enthält indes keine Position, unter die der
Kindergartenbeitrag gefasst werden könnte. Zwar erstreckt sich die
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe unter anderem auch auf
Dienstleistungen der Kindergärten, Kinderhorte, Krippen, Spielgruppen
und andere Kinderbetreuungseinrichtungen (vgl. Gliederungspunkt U/03
der Hinweise des Statistischen Bundesamts zur Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe). Die Auswertung der Ein-kommens- und
Verbrauchsstichprobe, die § 2 RSV vorschreibt, bezieht sich aber nur
auf die regelsatzrelevanten Erhebungen. Hierzu gehören
Kindergartenbeiträge nicht.
Das sächliche Existenzminimum und dem
folgend der Mindestbedarf eines Kindes beinhalten deshalb nicht die für
den Kindergartenbesuch aufzubringenden Kosten. Für den Betreuungs-
und Erziehungsbedarf des Kindes, der über den existentiellen
Sachbedarf hinaus notwendiger Bestandteil des familiären
Existenzminimums ist (BVerfGE 99, 216 ff. = FamRZ 1999, 285, 287 f.,
290), sind vielmehr zusätzliche Mittel zu veranschlagen. Die dem
System der Bedarfsfestlegung immanente Abgrenzung dieses Bedarfs von
demjenigen des sächlichen Bedarfs betrifft nicht nur den für ein
Kind aufzubringenden Mindestunterhalt, sondern auch den bei günstigeren
Einkommensverhältnissen des Barunterhaltspflichtigen
geschuldeten höheren Unterhalt. Auch den Mindestunterhalt übersteigende
Unterhaltsbeträge decken grundsätzlich keinen wesensverschiedenen
Aufwand ab, sondern zielen aufgrund der abgeleiteten Lebensstellung
des Kindes auf eine Bedarfsdeckung auf höherem Niveau. Danach ist die
Annahme aber nicht gerechtfertigt, in höheren Unterhaltsbeträgen
seien Kosten für den Besuch eines Kindergartens teilweise enthalten. Für
den Mehrbedarf des Klägers haben beide Elternteile anteilig nach
ihren Einkommensverhältnissen aufzukommen (Senatsurteil
vom 5. März 2008 - XII ZR 150/05 - FamRZ 2008, 1152, 1154). Vor der
Gegenüberstellung der jeweiligen Einkommen ist bei jedem Elternteil
grundsätzlich ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen
Selbstbehalts abzuziehen. Durch einen solchen Abzug werden bei
erheblichen Unterschieden der vergleichbaren Einkünfte die sich
daraus ergebenden ungleichen Belastungen zugunsten des weniger
verdienenden Elternteils relativiert.
Übrigens:
Bei unserer juristischen Recherche Ihrer Fälle greifen wir unter
anderem auf das juristische Informationssystem JURIS,
spezifische Prozessformularsammlungen und moderne Unterhalts- und
Zugewinnberechungsprogramme, die teilweise auch von Gerichten
verwendet werden, zu, um auf der Grundlage der neuesten Entscheidungen
der Rechtsprechung und präziser Berechnungen eine aktuelle Bewertung
Ihres Falles zu gewährleisten.
Top |