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Äußerungen
im Internet
Meinungsfreiheit
Kritik an Gewerbetreibenden |
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Im Grund vollzieht sich
im Internet ein Strukturwandel der Öffentlichkeit, der längst noch
nicht in den gesetzlichen Regelungen und in der Rechtsprechung
abgebildet wird. Was darf man über andere sagen? Wie weit darf man
Gewerbetreibende kritisieren? |
Tatsachenbehauptungen
und Meinungsäußerungen
Tatsachenbehauptungen
sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und
Wirklichkeit charakterisiert, während für Werturteile und Meinungsäußerungen
die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner
Aussage kennzeichnend ist (BVerfG). Essentiell für die Einstufung als
Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre
Richtigkeit zugänglich ist, also beweisbar ist. Dies scheidet bei
Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element
der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich
deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BVerfG NJW
1994, 1779; BGH NJW 2006, 830, 836). Bei Äußerungen, die sowohl
Tatsachenbehauptungen als auch Meinungsäußerungen oder Werturteile
enthalten, kommt es auf den Kern oder die Prägung der Aussage an,
insbesondere ob die Äußerung insgesamt durch ein Werturteil geprägt
ist und ihr Tatsachengehalt gegenüber der subjektiven Wertung in den
Hintergrund tritt oder aber ob überwiegend, wenn auch vermischt mit
Wertungen, über tatsächliche Vorgänge oder Zustände berichtet wird
(So BVerfG und BGH).
Auf
den Zusammenhang kommt es an!
Für
die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung
oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es
nach ständiger Rechtsprechung und zuletzt nach einer Entscheidung des
BGH der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Insbesondere ist
jede kritische Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in
dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext
herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH
a.a.O., vgl. speziell zum Internet LG Münster 2008). So dürfen aus
einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem
Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung
untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden -
Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie
Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem
Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen
erforderlich wird. |
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Was
heißt Meinungsfreiheit?
Das
Recht der Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 GG, gewährleistet, ohne ausdrücklich
zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden,
jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Das Recht der
freien Meinungsäußerung findet nach Art. 5 II GG zwar seine
Schranken in den Vorschriften der so genannten "allgemeinen
Gesetze", zu denen auch § 823 I BGB gehört. Dieser muss aber -
so die juristische Schaukeltheorie - im Lichte der Bedeutung des
Grundrechts aus Art. 5 I 1 GG gesehen und so interpretiert werden,
dass der besondere Wertgehalt des Rechts der freien Meinungsäußerung
auf jeden Fall gewahrt bleibt. Es findet also eine Wechselwirkung in
dem Sinne statt, dass § 823 I BGB zwar dem Grundrecht Schranken
setzt, aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses
Grundrechts ausgelegt und in seiner das Grundrecht begrenzenden
Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden muss (BVerfG).
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Kritik
an Gewerbetreibenden
Der
am Markt tätige selbständige Freiberufler muss sich, wie jeder
Gewerbetreibende auch, einer Kritik seiner Leistung stellen, wie der
BGH schon vor Jahren feststellte. Die Grenzen zulässiger Kritik sind
im Einzelfall sehr weit zu ziehen. Die Bedeutung des in Art. 5 Abs. 1,
2 GG gewährleisteten Grundrechts darf, auch bei abfälligen Wertungen
gewerblicher, handwerklicher oder ärztlicher
Leistungen oder Vorgänge, nicht zu gering eingeschätzt
werden. Dieser Grundsatz trifft im Kern, wenn auch unter gebotener
Beachtung aller Eigenheiten und Unterschiedlichkeiten, ebenfalls für
die Äußerung über die Bewertung von Waren und Leistungen zu.
Handelt es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in
einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, so streitet
die Vermutung für die Zulässigkeit der "freien Rede".
Dabei können sogar herabsetzende Meinungsäußerungen gerechtfertigt
sein.
In
der öffentlichen Auseinandersetzung ist selbst Kritik hinzunehmen,
die in überspitzter und polemischer Form geäußert wird, hat das
BVerfG festgestellt. Bei der Abwägung der Meinungsäußerungsfreiheit
des Nutzers gegen das gewerbliche Interesse eines Anbieters ist das
Interesse der Allgemeinheit an kritischen, unabhängigen Informationen
sehr hoch zu bewerten, weil solche Informationen für den Verbraucher
unabdingbar sind, um gewerbliche Produkte und Dienstleistungen zu
bewerten und sich insoweit eine Meinung bilden zu können. Das
Interesse der Anbieter muss dahinter zurücktreten (LG Nürnberg-Fürth
2010).
Die Zulässigkeitsgrenze ist erst dann überschritten, wenn
nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die
Diffamierung des Betreffenden im Vordergrund steht. |
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