Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine vom Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber erstattete Anzeige bei einer staatlichen Behörde einen wichtigen Kündigungsgrund gemäß § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Allerdings gilt, dass der Arbeitnehmer mit der
Erstattung einer Strafanzeige ein grundrechtliches Freiheitsrecht (Artikel 2 Absatz 2 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip) ausübt. Das ist bei der Abwägung des Verhaltens zu berücksichtigen. Es entspricht allgemeinem Interesse des Rechtsstaats an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von
Straftaten, dass auch der Arbeitnehmer zur Ermittlung von Straftaten beitragen darf und sogar eine diesbezügliche Pflicht bestehen kann. Das gilt auch in dem Fall, wenn diese Tat vom Arbeitgeber begangen wurde. Anders ist der Fall
bei haltlosen Vorwürfen aus verwerflichen Motiven zu bewerten, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen. Es kommt maßgeblich darauf an, ob die (Straf-)Anzeige des Arbeitnehmers nicht auf wissentlich unwahrem Vortrag beruht oder leichtfertig erfolgt. Denn die Berufsfreiheit
des Arbeitgebers schützt sein Interesse, nur mit solchen Arbeitnehmern zusammenzuarbeiten, die die Ziele des Unternehmens fördern und es vor Schäden bewahren. Überdies darf die Anzeige nicht als unverhältnismäßige Reaktion des Arbeitnehmers einzuordnen sein.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Jahre 2011 klargestellt, dass Strafanzeigen von Arbeitnehmern gegen ihren Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in ihrem Unternehmen offen zu legen, dem Geltungsbereich des
Artikel 10 EMRK unterliegen und mittels der Strafanzeige vom Recht auf freie Meinungsäußerung im Sinne des Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 EMRK Gebrauch gemacht wird. Im Fall der Strafanzeige einer Altenpflegerin wegen Missständen hinsichtlich der Dokumentation der Pflegeleistungen hätten die deutschen Gerichte keinen
angemessenen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit, den Ruf des Arbeitgebers zu schützen einerseits, und derjenigen, das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung zu schützen andererseits, herbeigeführt. Im Rahmen dieser Abwägung kommt es nach dem EGMR darauf an: In erste Linie gebietet die Loyalitätspflicht des
Arbeitnehmers, zunächst eine interne Klärung zu versuchen, um dann als ultima ratio die Öffentlichkeit zu informieren. Darüber hinaus habe jede Person, die Informationen offenlegen wolle, sorgfältig zu prüfen, ob die Information zutreffend und zuverlässig sei.
Auf der anderen Seite ist auch der Schaden von Bedeutung, der dem Arbeitgeber durch die in Rede stehende Veröffentlichung entstehen kann. Wesentlich ist außerdem, ob die Person die Offenlegung in gutem Glauben und in der Überzeugung vorgenommen habe, dass die Information wahr
sei, dass sie im öffentlichen Interesse liege, und dass keine anderen, diskreteren Mittel existierten, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen. Mit diesen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betonten Gesichtspunkten des Verhältnismäßigkeitsprinzips sind die bereits von den deutschen
Gerichten aufgestellten Grundsätze weiter konkretisiert worden. Letztlich entscheidend ist eine durch die Grundrechte der Beteiligten geprägte umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit.
Bei der Anzeige der Klägerin gegenüber dem Jugendamt handelte es sich nach Auffassung des LAG Köln um eine unverhältnismäßige Reaktion auf die zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Jedenfalls hätte die Klägerin - wenn es dann wahr war - schon
viel früher unter Beachtung ihrer Loyalitätspflicht eine interne Klärung mit ihren Arbeitgebern versuchen müssen. Ein klärendes Gespräch wäre der Klägerin auch durchaus zumutbar gewesen. Erst nach dem Scheitern eines solchen Versuchs wäre dann die Einschaltung der Behörde in Betracht gekommen. Durch die
vorschnelle Anzeige beim Jugendamt hat die Klägerin die Beklagten leichtfertig beschuldigt und das Vertrauensverhältnis in einer Weise belastet, dass den Beklagten eine Weiterbeschäftigung auch nur während der noch laufenden Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war. |
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Siegburg, Gummersbach, Hagen, Hamm, Hamburg, Kiel, Wuppertal, Gießen, Düsseldorf,
Frankfurt und Berlin sowie vor dem Bundesarbeitsgericht
betrieben.
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(vor allem in Mobbing-Fällen),
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